
An der schroffen Westküste nach Norden
Getting there
An die Westküste Neuseelands zu gelangen ist gar nicht so einfach – wird sie doch von den mächtigen Gipfeln der Alpen begrenzt. Die südlichste Passage ist der Haast Pass, der nach dem deutschen Wissenschaftler Julius von Haast benannt ist und sich nördlich von Wanaka durchs Gebirge schlängelt. Von Udo getragen folgen wir der kurvenreichen Straße zwischen Felsformationen und Regenwald hindurch. Einen Stopp legen wir bei den Blue Pools ein.

Schon der Parkplatz ist ziemlich voll; Die Vielzahl an Autos dämpft unsere Laune ziemlich, denn an solchen landschaftlichen Juwelen ist man doch am liebsten alleine. Andererseits wollen andere Touristen die Blue Pools genau so gerne sehen wie wir und sie sind eben einfach zu erreichen. In nur einer Viertelstunde sind wir an der Hängebrücke, die sich über die Pools spannt und von der aus ein Pfad zum Ufer hinunterführt. Genau genommen handelt es sich um einen Fluss, der sich an dieser Stelle etwas staut und Pools von so intensiver, klarer, türkisener Farbe bildet, dass es schon fast surreal wirkt. Das Wasser macht einen einladenden Eindruck, ist aber verdammt kalt. Trotzdem tummelt sich eine muntere Badegesellschaft unten am Fluss, wobei die meisten Besucher nur kurz ins Wasser hüpfen und dann schnell in wärmere Gefilde zurückkehren. Wir aber gesellen uns zu den Wagemutigen, die die Blue Pools mit einem Sprung von der geschätzt fünf Meter hohen Brücke begrüßen – beim Auftauchen aus dem eiskalten Gewässer müssen wir erstmal nach Luft schnappen.
Bald darauf setzen wir die Reise fort und erreichen die Westküste im winzigen Ort Haast.


Wild und ungezähmt – die Landschaft
In einer Region namens West Coast ist eines natürlich omnipräsent: Das Meer. In Jackson Bay, etwas südlich von Haast, breitet sich vor uns eine idyllische, ruhige Küstenlandschaft aus. An den meisten Stellen aber ist das Meer wild und gewaltig, von schroffen Klippen und Steilküsten gesäumt. Erstaunlich ist, dass der Regenwald ohne Übergang fast bis an die Küste heranreicht. Wo sich Strände finden, liegt auch oft eine Menge Treibholz.


Ein besonderes landschaftliches Highlight sind die Pancake Rocks, die ihren Namen von ihrer eigentümlichen, schichtartigen Struktur haben. Auch hier schlagen die Wellen mit Gewalt an die Felsen, die Gischt spritzt in die Höhe – hier will man wirklich nicht ins Wasser fallen. Doch auch der Rest der Küstenstraße ist von beeindruckender Schönheit – vor allem das Stück durch den Paparoa National Park.


Auf Rückzug: Die Gletscher
Zwei Gletscher an der West Coast sind problemlos erreichbar: Der Fox Glacier und der Franz Josef Glacier. Das besondere an Neuseelands Gletschern ist, dass sie bis auf ein paar hundert Meter über dem Meeresspiegel hinunterreichen und man sie dadurch in unter einer Stunde zu Fuß erreichen kann. Während wir auf dem Weg zum Fox Glacier hauptsächlich durch eine Kies- und Gerölllandschaft wandern (hier ist definitiv das Ziel das Ziel), ist die Umgebung auf dem Weg zum Franz Josef Glacier mit einem weitläufigen Flusstal, Wald und Wasserfällen deutlich interessanter. Die Dokumentation des jährlichen Rückzugs ist jedoch bei beiden Gletschern gleichermaßen informativ wie erschreckend.
Der Fox Glacier wirkt vom Aussichtspunkt gewaltig; dennoch kann man nicht ganz so viel davon sehen, wie wir uns erhofft hatten. Franz Josef Glacier liegt da schon günstiger in seinem Tal, sodass uns von weitem der Blick mit Vorfreude erfüllt. Leider macht uns der Regen einen Strich durch dir Rechnung: Als wir am Aussichtspunkt ankommen, können wir von der mächtigen Eismasse kaum noch etwas sehen. Schade. Trotzdem lohnen sich die West Coast Gletscher – obwohl man bei einem Helikopterflug sicherlich die bessere Aussicht hat.

Raindrops are falling on my head… Das Wetter
Wie schon angedeutet, begrüßt uns die West Coast – übrigens auch Rain Coast genannt – nicht gerade mit eitel Sonnenschein. Ja, tatsächlich haben wir seit einiger Zeit mal wieder ziemlich viel Regen und fühlen uns an unsere ersten Wochen in Neuseeland erinnert. Ab und zu ist das Wetter okay, doch so richtig prickelnd finden wir es leider nie.
„Sind wir schon durchgefahren?“ – die Städte
Richtig große Städte mit vielen Sehenswürdigkeiten – von den Naturschönheiten mal abgesehen – hat West Coast leider nicht zu bieten. Die meisten Ortschaften haben gerade ein paar hundert Einwohner und oft haben wir das Gefühl, dass es sie überhaupt erst wegen der Touristen gibt (wie in den jeweiligen Dörfern zu den Gletschern).
Eine etwas größere Stadt ist Hokitika – dort können wir eine Menge Jadeschmuck bewundern und nehmen uns Zeit, in einigen schönen Läden nach Kunstgegenständen zu stöbern.

Hier finden auch mehrere Festivals statt: Das Wildfoods Festival (für Liebhaber von Spezialitäten wie Raupen und Rindersperma) lockt uns weniger, doch das Driftwood Festival klingt interessant: Hier werden am Strand Skulpturen aus Treibholz gebaut. Leider können wir auch diesem nicht beiwohnen, doch der hölzerne Schriftzug „Hokitika“ gibt schon mal einen Vorgeschmack. Nahe Hokitika befindet sich auch die sogenannte Hokitika Gorge in der ein mal grau, mal sehr türkiser Fluss fließt.


Bald darauf kommen wir in der größten Stadt West Coasts an – Greymouth hat 5500 Einwohner Hier nehmen wir mal wieder einige Annehmlichkeiten des Städtelebens in Anspruch (wie zum Beispiel Supermärkte oder Internetempfang) die Stadt selbst ist aber nicht übermäßig spannend.
Aufdringliche Zeitgenossen: Die Tierwelt
Wie an vielen neuseeländischen Orten soll es auch hier Kiwis, Kakas und allerlei andere seltene Vögel geben, die man natürlich nie zu Gesicht bekommt – zumindest nicht in freier Wildbahn. Dafür machen wir Bekanntschaft mit einer Art großer Insekten, die man zwar nicht immer sehen, aber hören kann. Offenbar sitzen sie in Scharen in den Bäumen und verbreiten ihr zikadenähnliches Zirpen – wirklich ganz schön laut und ganz schön nervig! Außerdem treffen wir häufig auf Wekas. Diese flugunfähigen Waldhühner kann man in der Dunkelheit schon mal mit Kiwis verwechseln, sie sind aber deutlich weniger selten. Einige sind wohl an Camper gewöhnt und zeigen nicht die geringste Scheu – eher lauern sie auf Essen und eine ist sogar so frech, mich beim Abspülen in den Knöchel zu zwicken.
Natürlich sind auch die Sandflies, diese kleinen Quälgeister, wieder omnipräsent, doch mit Erleichterung stellen wir fest, dass sie weniger werden, je nördlicher wir kommen. Glück gehabt!
Was wir sonst noch so getrieben haben
Um auch wirklich nichts zu verpassen, entscheiden wir uns, zumindest ein Stück des Arthur’s Pass – der wieder zur Ostküste führt – ins Inland und dann wieder zurück zu fahren. Auf dem Weg durchs Gebirge werden wir von sintflutartigem Regen überrascht und stecken tatsächlich eine Weile fest: Ein Erdrutsch hat die Straße verschüttet. Während wir auf den Bagger warten, können wir beobachten, wie Felsbrocken und Geröll wie Wasser den Berg hinunterfließen und der Fluss (eigentlich türkisblau) zu einer schäumenden, graubraunen Masse wird. Verrückt, diese Naturgewalten! Es ist eine Erleichterung, als es dann weitergeht und man mag es kaum glauben, aber eine halbe Stunde später trägt Udo uns im schönsten Abendsonnenschein durch die Täler.



Von diesem Abenteuer abgesehen nutzen wir die Zeit in Greymouth, um kleinere Reparaturen und Modifikationen an Udo durchzuführen. Zum Beispiel hat er jetzt wieder ein voll funktionstüchtiges linkes Ohr.
Bye Bye, West Coast
Da man ab Westport nicht mehr viel weiter in den Norden kommt, wo der Abel Tasman National Park liegt, folgen wir dem State Highway 6 Richtung Osten. Da wir dem schon genannten Nationalpark sicherlich einen Besuch abstatten werden, sagen wir zwar nicht dem Westen, aber doch der Region West Coast auf Wiedersehen – das nächste Mal bitte mit etwas mehr Sonnenschein.
Kommentare
3 Antworten zu „[:de]Im Westen was Neues[:en]Im Westen was Ne[:]“
Ich bin immer wieder beeindruckt von der Kombination der sehr anschaulichen und lebendigen Texte und der teilweise fast hypnotischen Bilder (vor allem die Farben der Gewässer). Der Sprung von der Brücke ist cool (kein Bungee-Wahnsinn), den hätte ich auch gemacht.
Vielen Dank! Das stimmt die Farben der Gewässer sind hier ganz unterschiedlich und oft auch sehr farbintensiv.
Supi! – gerne den Rhythmus beibehalten 🙂 Gerne auch multimedial.
Sehr kreative Kapitelüberschriften in diesem Post.
Die Langzeitbelichtung mit den Pancake Rocks einschließlich der aufgefächerten Sonnenstrahlen ist besonders klasse – wobei ich an die Farbe des Himmels nicht ganz glaube 😉
Grüße aus Warschau!